Sexualstörungen, wie der vorzeitige Samenerguss, sind ein Problem über welches nur selten gesprochen wird. Die Störung ist jedoch nicht selten, es wird davon ausgegangen, dass bis zu 30 Prozent der Männer aller Altersgruppen unter vorzeitigem Samenerguss leiden.
In der PEPA-Studie (Eur Urol. 2007) gaben 20 % der Männer diesbezüglich Probleme an. Jedoch wagen weitaus weniger Männer den Schritt einer Konsultation beim Urologen. Doch nur bei korrekter Diagnose und Ursachenfindung kann die Störung effektiv behandelt werden.
Was ist Ejaculatio Praecox?
Ejaculatio Praecox ist der lateinische Begriff für den vorzeitigen Samenerguss. Die Ejakulationsstörung kann angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein. Primäre Störungen haben ihren Beginn in der Jugend und bleiben danach bestehen. Bei sekundären Störungen gab es Phasen, in denen kein vorzeitiger Samenerguss bestand, bevor die Problematik auftrat.
Dabei sollten sich Männer bewusst sein, dass es durchaus normal ist hin und wieder eine vorzeitige Ejakulation zu erleben. Gerade in der Pubertät, wenn erste sexuelle Versuche unternommen werden und Nervosität sowie hohe Erwartungen eine Rolle spielen aber auch nach langer Enthaltsamkeit oder bei einer neuen Partnerin ist ein vorzeitiger Samenerguss durchaus üblich und deutet noch nicht auf eine Sexualstörung hin. Die Ejaculatio Praecox hat erst dann einen Krankheitswert, wenn der betroffene Mann und/oder seine Partnerin das gemeinsame Sexualleben aufgrund der Problematik nicht mehr als befriedigend empfinden.
Erektion und Ejakulation
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie es zur Erektion mit folgender Ejakulation kommen
kann. Durch Stimulation der Genitalien wird das Rückenmark animiert, Signale auszusenden, die die Erektion ermöglichen. Dazu gehören die Weitstellung der Blutgefäße in den Penis-Schwellkörpern
und der nachfolgende Bluteinstrom.
Das Rückenmark kann seinen Anreiz aber auch vom Gehirn erhalten, beispielsweise durch das Sehen oder Hören erregender Reize sowie durch Vorstellungsvermögen.
In die Aufrechterhaltung der Erektion und das Unterdrücken des Samenergusses sind komplexe Vorgänge im Gehirn eingebunden, in denen nach derzeitigem Wissensstand der Botenstoff Serotonin eine entscheidende Rolle spielt.
Ejakulationslatenzzeit und „vorzeitig“
Grundsätzlich ist vorzeitig ein subjektiver Begriff, der theoretisch nicht mit einer „Mindestzeit“ definiert werden kann. Zur Diagnosestellung wird jedoch mit der intravaginale Ejakulationslatenzzeit (IELT nach dem Englischen intravaginal ejaculation latency time) gearbeitet um einschätzen zu können ob eine Störung vorliegt. Diese beschreibt die Zeitspanne ab der Penetration bis zur Ejakulation und beträgt im Durchschnitt fünf Minuten.
Die IELT schwankt individuell sehr stark und entspricht nicht zwangsläufig der Befriedigung. Frauen und Männer berichten auch bei einer IELT von unter drei Minuten ein erfülltes Sexualleben zu haben.
Um die primäre Ejaculatio Praecox zu diagnostizieren, gibt es folgenden Richtwert: Die Ejakulation tritt fast immer innerhalb einer Minute nach Penetration auf, es ist dabei keine willentliche Verzögerung möglich und es folgen negative Auswirkungen auf die Lebensqualität des Betroffenen. Die sekundäre Ejaculatio Praecox kann anhand der (vermuteten) Grunderkrankung und des sexuellen Leidensdrucks eines oder beider Partner festgestellt werden.
Ursachen
Die Ejaculatio Praecox kann psychisch und/oder körperlich bedingt sein. Psychische Gründe können:
- Angst,
- Nervosität,
- Probleme in der Partnerschaft,
- Leistungsdruck oder
- Stress
sein. Auf der körperlichen Ebene können:
- Schilddrüsen-Überfunktion (Hyperthyreose),
- Harnwegsinfekte,
- chronische Prostata-Entzündungen (Prostatitis),
- Diabetes mellitus,
bestimmte Medikamente (Opiate und Sympathomimetika) sowie
neurophysiologische Ungleichgewichte der Botenstoff-Systeme im Gehirn
Probleme bereiten.
Prävention und natürliche Behandlung
Wenngleich es keinen Weg gibt um einer Ejaculatio Praecox sicher vorzubeugen, so gibt es doch Maßnahmen um deren Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. Hierzu gehört unter anderem regelmäßiger Sexualkontakt – mit der Partnerin oder in Form von Masturbation. Dies erhöht die für die Ejakulation nötige Reizschwelle und verlängert die Zeitspanne bis zum Samenerguss.
Gleichzeitig schafft es ein gewisses Selbstbewusstsein und Offenheit im Umgang mit der eigenen Sexualität. Zudem sollte auf die körperliche Fitness geachtet werden um möglichen organischen Störungen vorzeugen.
Liegen jedoch bereits Hinweise auf eine Ejaculatio Praecox vor ist eine Konsultation bei einem Arzt sinnvoll um die Ursachen zu klären und einen geeigneten Therapieansatz zu wählen. Bedingen psychische Faktoren die Sexualstörung, kann ein offenes Gespräch zwischen den Partnern bereits ausreichend sein. In manchen Fällen kann eine Paartherapie bei einem Psycho- oder Sexualtherapeuten hilfreich sein.
Die Kontrolle über den Samenerguss kann mit Stimulationstechniken trainiert werden. Bei der Start-Stopp-Technik und die Squeeze-Technik sollen ermöglichen ein Gefühl für den Zeitpunkt kurz vor der Ejakulation zu erlangen. Beide Techniken können allein oder mit der Partnerin angewandt werden. Es gilt dabei die Stimulation bis kurz vor der Ejakulation aufrecht zu erhalten, dann zu unterbrechen und nach Abklingen des Reizlevels fortzuführen. Bei der Start-Stopp-Methode wird der Geschlechtsverkehr oder die Masturbation einfach unterbrochen. Bei der Squeeze-Technik muss hingegen mit dem Daumen Druck auf die Eichel ausgeübt werden.
Kondome können die Empfindlichkeit des Penis ebenfalls herabsetzen. Außerdem kann versucht werden, nach dem Auftreten eines vorzeitigen Samenergusses den Geschlechtsverkehr direkt wieder aufzunehmen. Oft ist die Reizschwelle dann bereits erhöht und der Samenerguss kann länger herausgezögert werden.
Medikamentöse Behandlung
Eine medikamentöse Lösung stellen Lokalanästhetika dar – Cremes oder Sprays mit örtlich betäubende Wirkung. Hierzu zählen z.B. Lidocain oder Prilocain. Betäubende Substanzen unterbinden zwar die Wahrnehmung der stimulierenden Reize am Penis und verzögern so den Samenerguss, sie sind im Vergleich zu einer oralen Medikation weniger erfolgreich. Zudem sollten Rückstande vor dem Geschlechtsverkehr unbedingt vom Glied entfernt werden um die Partnerin nicht vaginal zu betäuben.
Als einziges orales Medikament gilt der Wirkstoff Dapoxetin, bekannt als Priligy. Seit 2009 ist es verschreibungspflichtig zur Behandlung von Ejaculatio Praecox zugelassen. Bei Dapoxetin handelt es sich um ein SSRI (Selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer), der den Serotonin-Transport im Gehirn hemmt. Dies verbessert die Kontrolle über die Erektion und kann die Zeit bis zum Samenerguss auf das Drei- bis Vierfache steigern. Die Kosten für das Medikament muss der Patient allerdings selbst tragen, da es sich um ein Lifestyle-Medikament handelt, das von den Krankenkassen nicht erstattet wird.
Dapoxetin sollte ein bis drei Stunden vor dem Geschlechtsakt und maximal einmal am Tag mit viel Wasser eingenommen werden. Zu beachten ist, dass das SSRI nur für die Altersgruppe zwischen 18 und 64 Jahren verordnet werden darf. Weiterhin bestehen diverse Gegenanzeigen wie Herzschwäche, Herzklappenfehler, Leberfunktionsstörungen, Drogen- und Alkoholkonsum sowie jegliche psychische Störung (auch die Neigung zur Manie) und Epilepsie.
Dapoxetin darf zudem nicht mit ähnlich wirkenden Medikamenten, wie Antidepressiva und anderen serotoninverstärkende Mitteln, kombiniert werden. Grundsätzlich gilt das Medikament als verträglich und ist aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von 90 Minuten bereits nach einem Tag beinahe vollständig abgebaut. Nebenwirkungen, die häufiger vorkommen, sind vor allem Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Benommenheit.
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